Was darf der Betriebsarzt wissen – und was nicht?

Darf ich dem Betriebsarzt meine Depression verschweigen? Was passiert, wenn ich schwanger bin – oder früher psychisch erkrankt war?
Viele Beschäftigte fragen sich, welche Informationen sie gegenüber dem Betriebsarzt preisgeben müssen – und was dieser an den Arbeitgeber weitergeben darf. Auch die Themen Drogen, Alkohol, Blutuntersuchungen oder Hausarzt-Unterlagen sorgen oft für Unsicherheit.

Dieser Überblick klärt die wichtigsten Fragen – zu Schweigepflicht, Rechten und Grenzen – und zeigt, welche Rolle der Betriebsarzt tatsächlich spielt.

1. Was macht ein Betriebsarzt eigentlich?

Der Betriebsarzt ist kein „verlängerter Arm“ des Arbeitgebers – sondern Teil des betrieblichen Gesundheitsschutzes.
Seine zentrale Aufgabe: die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen und zu fördern.

Konkret bedeutet das:

  • Er führt arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen durch – z. B. bei Nachtarbeit oder Tätigkeiten mit hoher Belastung.

  • Er begleitet Gefährdungsbeurteilungen und Begehungen am Arbeitsplatz.

  • Er berät Unternehmen – und auch Sie als Beschäftigte:r – zu allen Themen rund um Gesundheit und Arbeit.

Wichtig: Der Betriebsarzt überprüft keine Krankschreibungen, erstellt keine Atteste gegen Ihren Willen und kann niemanden zu einer Behandlung oder Aussage zwingen.

2. Muss ich zum Betriebsarzt gehen – oder kann ich ablehnen?

Grundsätzlich gilt: Niemand darf gegen seinen Willen zu einer medizinischen Untersuchung gezwungen werden.Aber es gibt Ausnahmen.

In bestimmten Fällen schreibt das Gesetz eine betriebsärztliche Untersuchung verpflichtend vor – zum Beispiel:

  • bei Tätigkeiten mit Personenbeförderung (z. B. Busfahrer:innen),

  • bei Arbeiten unter Gefahrstoffen oder Strahlung,

  • im Feuerwehrdienst oder bei

  • sogenannten Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten,

  • sowie bei bestimmten Pflichtvorsorgen, etwa bei hautbelastenden Tätigkeiten mit Chemikalien.

Hier kann es arbeitsrechtliche Konsequenzen haben, wenn man die Untersuchung ablehnt – etwa, weil der Arbeitgeber Sie sonst aus Gründen der Fürsorgepflicht nicht mehr einsetzen darf.

Bei allen anderen Untersuchungen – zum Beispiel bei allgemeinen Vorsorgeuntersuchungen oder einem freiwilligen Beratungsgespräch – entscheidet allein die betroffene Person, ob sie teilnehmen möchte.
Und auch dann gilt: Keine Untersuchung ohne Ihre ausdrückliche Zustimmung.

 

3. Was darf der Arbeitgeber an den Betriebsarzt weitergeben – und umgekehrt?

Der Arbeitgeber darf dem Betriebsarzt Informationen über die Tätigkeit mitteilen – zum Beispiel, ob jemand regelmäßig Nachtschichten macht, mit Gefahrstoffen arbeitet oder eine sicherheitsrelevante Aufgabe ausführt. Diese Angaben sind notwendig, damit der Betriebsarzt die richtigen Untersuchungen anbieten und Risiken fachlich bewerten kann.

Umgekehrt ist der Informationsfluss stark begrenzt:
Der Betriebsarzt darf dem Arbeitgeber ausschließlich das Ergebnis der Untersuchung mitteilen – etwa:

  • bei Vorsorgeuntersuchungen: „Teilgenommen“

  • bei Eignungsuntersuchungen: „geeignet“, „geeignet mit Auflagen“ (z. B. Sehhilfe), „nicht geeignet“

Diagnosen, Befunde oder medizinische Hintergründe dürfen nicht weitergegeben werden.
Auch nicht bei psychischen Erkrankungen, Drogenproblemen oder einer Schwangerschaft.

Eine weiterführende Mitteilung an den Arbeitgeber – etwa zur gesundheitlichen Einschränkung – ist nur mit Ihrer schriftlichen Einwilligung (Schweigepflichtentbindung) erlaubt.

4. Darf der Betriebsarzt Unterlagen vom Hausarzt anfordern?

Grundsätzlich ja – aber nur mit Ihrer schriftlichen Zustimmung.
Der Betriebsarzt kann medizinische Unterlagen vom Hausarzt oder Facharzt anfordern, wenn Sie ihn durch eine sogenannte Schweigepflichtentbindung dazu berechtigen. Ohne diese bleibt alles vertraulich.

Solch ein Austausch kann in bestimmten Situationen sinnvoll sein – zum Beispiel:

  • bei einer Wiedereingliederung nach längerer Krankheit, wenn es darum geht, den Arbeitsplatz anzupassen oder schrittweise wieder einsteigen zu können.

  • wenn bestimmte Diagnosen (z. B. Diabetes mellitus) Einfluss auf die Fahrtüchtigkeit oder Sicherheit im Job haben könnten.

Auch hier gilt: Keine Information wird ohne Ihr Einverständnis weitergegeben. Sie behalten die volle Kontrolle darüber, wer was über Ihren Gesundheitszustand erfährt.

5. Was darf ich verschweigen – Depression, Schwangerschaft, Drogen?

Viele Beschäftigte haben Angst, dass bestimmte persönliche Informationen – etwa über psychische Erkrankungen, eine Schwangerschaft oder frühere Drogenprobleme – gegen sie verwendet werden könnten. Hier gilt: Sie dürfen mehr verschweigen, als viele denken.

Depression und psychische Erkrankungen

  • Diagnosen wie „Depression“, „Burnout“ oder andere psychische Leiden werden niemals an den Arbeitgeber weitergegeben.

  • Auch der Betriebsarzt unterliegt der strengen ärztlichen Schweigepflicht.

  • Nur wenn die psychische Verfassung sicherheitsrelevant ist (z. B. bei Personenbeförderung, Fahr- und Überwachungstätigkeiten), kann der Betriebsarzt ggf. eine eingeschränkte Eignung attestieren – ohne Angabe der Diagnose.

Schwangerschaft

  • Weder Betriebsarzt noch Arbeitgeber dürfen Sie im Vorstellungsgespräch nach einer Schwangerschaft fragen.

  • Es besteht keine Mitteilungspflicht – dennoch ist es insbesondere bei möglichen Gefährdungen dringend empfohlen, die Schwangerschaft frühzeitig mitzuteilen.

  • In der Praxis läuft es meist so ab: Die schwangere Person informiert den Arbeitgeber, der dann den Betriebsarzt einschaltet, um die Tätigkeit im Hinblick auf den Mutterschutz zu beurteilen.

  • Ziel ist es, eine sichere Weiterbeschäftigung zu ermöglichen, z. B. durch Anpassung von Arbeitsplätzen oder Arbeitszeiten.

Drogen und Alkohol

  • Auch hier gilt: Keine Weitergabe an den Arbeitgeber – weder bei aktuellem Konsum noch bei bestehender Abhängigkeit.

  • Nur wenn die Tätigkeit mit Risiken für andere verbunden ist (z. B. Maschinenarbeit, Personenverkehr), kann der Betriebsarzt im Rahmen einer Eignungsbeurteilung eine Einschränkung aussprechen – ohne die Ursache zu nennen.

  • Darüber hinaus kann der Betriebsarzt auch eine unterstützende Rolle spielen:
    Im Rahmen eines Stufenplans kann er helfen, Rehabilitationswege zu begleiten und die betroffene Person medizinisch sowie menschlich zu entlasten – auf Wunsch und mit freiwilliger Mitwirkung.

6. Was untersucht der Betriebsarzt im Blut?

Blutuntersuchungen gehören nicht automatisch zu jeder betriebsärztlichen Untersuchung. Sie werden nur durchgeführt, wenn es medizinisch sinnvoll ist – zum Beispiel im Rahmen einer Vorsorge oder bei Tätigkeiten mit besonderen Gefährdungen. In jedem Fall gilt: Keine Blutabnahme ohne Ihre ausdrückliche Zustimmung.

Grundsätzlich lassen sich zwei Bereiche unterscheiden:

1. Gesundheitsvorsorge und Früherkennung

Hier geht es darum, frühzeitig relevante Erkrankungen zu erkennen, um präventiv eingreifen zu können. Typische Blutwerte betreffen:

  • Zuckerwerte (Früherkennung von Diabetes)

  • Blutfette (Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen)

  • Leber- und Nierenwerte (z. B. bei Medikamentenbelastung oder allgemeinen Stoffwechselstörungen)

Diese Untersuchungen dienen ausschließlich dem Gesundheitsschutz des Beschäftigten – nicht der Leistungskontrolle.

2. Biomonitoring bei Gefahrstoffen

Bei Tätigkeiten mit bestimmten chemischen oder toxischen Stoffen (z. B. Blei, Nickel, Quecksilber) kann ein sogenanntes Biomonitoring erforderlich sein.
Dabei wird überprüft, ob sich im Körper kritische Mengen dieser Stoffe angereichert haben – um rechtzeitig Schutzmaßnahmen anzupassen oder gesundheitliche Schäden zu vermeiden.

Auch hier gilt: Keine Blutuntersuchung erfolgt ohne Ihre Einwilligung – und die Ergebnisse unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht.

Wichtig: Drogen- oder Alkoholtests gehören nicht zum Standard. Sie dürfen weder heimlich durchgeführt noch ohne konkreten Anlass verlangt werden.

7. Kann mir der Betriebsarzt „gefährlich“ werden – z. B. bei Kündigung?

Eine weit verbreitete Sorge: Gibt der Betriebsarzt Informationen weiter, die zu einer Kündigung führen könnten? Die Antwort ist eindeutig: Nein.

Der Betriebsarzt hat keinerlei Entscheidungsbefugnis in arbeitsrechtlichen Fragen.
Er stellt keine Diagnosen für den Arbeitgeber aus und ist nicht dafür da, Beschäftigte „auszusortieren“. Seine Aufgabe ist es, eine medizinisch-fachliche Einschätzung der Arbeitsfähigkeit abzugeben – im Rahmen gesetzlich definierter Vorsorge- oder Eignungsuntersuchungen.

Die Rückmeldung an den Arbeitgeber beschränkt sich auf Formulierungen wie:

  • „geeignet“

  • „geeignet mit Auflagen“ (z. B. mit Sehhilfe, ohne Nachtschicht)

  • „nicht geeignet“

Dabei gilt: Der Betriebsarzt ist für Sie da.
Auch wenn Einschränkungen bestehen, versucht er empfehlende Lösungen zu formulieren – z. B. durch Hilfsmittel, veränderte Arbeitszeiten oder andere Schutzmaßnahmen.

Statt pauschaler Atteste wie „nicht mehr belastbar“ sucht der Betriebsarzt nach einem positiven Leistungsbild:
Was ist noch möglich? Und wie lässt sich die Tätigkeit daran anpassen?

In sensiblen Fällen erfolgt dies in enger Absprache mit dem Betriebsrat – etwa, wenn es um chronische Erkrankungen oder Einschränkungen im Nachtdienst geht. Denn Ziel ist nicht Ausgrenzung, sondern erhaltende Teilhabe.

8. Was, wenn ich kein Vertrauen zum Betriebsarzt habe?

Vertrauen ist die Grundlage jeder medizinischen Beratung – auch beim Betriebsarzt. Doch was, wenn Zweifel bestehen? Wenn man sich nicht sicher fühlt, ob das Gespräch wirklich vertraulich ist?

Zunächst wichtig zu wissen:
Der Betriebsarzt ist weisungsfrei.
Das bedeutet: Er arbeitet unabhängig vom Arbeitgeber – auch wenn er über diesen beauftragt wurde. Seine medizinischen Entscheidungen und Einschätzungen trifft er allein.

Wenn das Vertrauen trotzdem fehlt, gibt es Möglichkeiten:

  • Sie dürfen jederzeit eine Vertrauensperson zum Gespräch mitbringen.

  • Sie müssen nichts sagen, was Sie nicht sagen möchten – das Gespräch ist freiwillig, solange keine gesetzliche Pflicht besteht.

  • Bei Unsicherheit kann der Betriebsarzt Kontakt zum Betriebsrat oder zur Schwerbehindertenvertretungvermitteln – besonders bei schwierigen beruflichen oder gesundheitlichen Situationen.

  • Und: Auch eine zweite Meinung ist möglich – in bestimmten Fällen darf eine andere arbeitsmedizinische Instanz hinzugezogen werden.

Ein guter Betriebsarzt wird nicht nach Schuld oder Ursachen suchen, sondern Wege finden, wie Arbeit trotz Einschränkungen möglich bleibt – gesund, menschlich und verantwortungsvoll.

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Plötzlich schwanger im Team – und jetzt?

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